Kurzarbeitergeld läuft aus - was dann?
Am 31.12.2021 ist es soweit: Das schon verlängerte Kurzarbeitergeld fällt ersatzlos weg. Das bedeutet für den Lufthansa Konzern, dass sich „quasi über Nacht“ die Personalkosten und somit die Ausgaben um fast eine Milliarde Euro im Jahr erhöhen. Zurzeit, so wurde es während eines Videomeetings mit einem Vorstandsmitglied verkündet, ist das Kurzarbeitergeld die größte Einnahmequelle des Konzerns.
Es gibt zwar in der Zwischenzeit einige Bemühungen von Seiten der Arbeitgeber, wie auch der Gewerkschaften, die Kurzarbeiterregelung zu verlängern, Aussicht auf Erfolg scheint aber eher mäßig. Hilfreich wäre es allerdings, wenn wenigstens um drei Monate in 2022 verlängert werden würde.
Es wird also höchstwahrscheinlich zu dem schwierigen Szenario kommen, dass die größte Einnahmequelle entfällt. Und dann? Wer soll das bezahlen? Es gibt nur eine (un)mögliche Variante, wie man ohne ein Problem da herauskommt: Das Virus ist weg, einfach weg bis zum 31.12.2021, weil alle Menschen geimpft sind, und zwar auf der ganzen Welt. Danach sieht es aber bestimmt nicht aus.
Also plant die Lufthansa mit einer wesentlich verkleinerten Flotte und damit auch entsprechend weniger Arbeitsplätzen in das Jahr 2022 zu starten. Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Konzern am Ende von 2021 exakt zu viel hat, kann zum jetzigen Zeitpunkt aus verständlichen Gründen nicht gesagt werden. Schließlich weiß niemand genau, wie viele Beschäftige sich im Laufe dieses Jahres auf freiwilliger Basis von ihrem Arbeitsplatz trennen. Allein bis Ende 2020 sind bereits schon rund 30.000 Stellen gestrichen worden, 20.000 davon im Ausland. Als „Gesamtabbauziel“ (Boden, Cockpit, Kabine) wird eine Zahl von ca. 10.000 weiteren abzubauenden Arbeitsplätzen in Deutschland genannt.
Was geschieht also, wenn am Ende von 2021 eine Vielzahl von Beschäftigten „per Freiwilligenprogramm“ noch nicht abgebaut sind? Vor einigen Monaten war in den vielen Video-Meetings von Vorstand Herrn Spohr zu hören, dass es gelingen könnte, viele Arbeitsplätze zu retten, wenn man zu „verpflichtenden Teilzeitmodellen“ kommen würde.
Mittlerweile ist allerdings nicht mehr die Rede davon. Lediglich beim Cockpitpersonal ist dieses Modell im Gespräch. Angesprochen in Video-Meetings auf diese Frage, kam bisher mehrfach die Antwort von Vorstandsmitgliedern, dass man dann zu betriebsbedingten Kündigungen greifen müsste.
Warum, so frage ich mich, ist das so? Lieber Kündigung anstatt Teilzeit? Nachgefragt bei Tarifkommissionsmitgliedern gab es die Antwort: Teilzeit können sich die Leute nicht leisten, die können dann nicht mehr ihren Lebensunterhalt bestreiten.
Bleibt die Alternative „Kündigung“. Ist das wirklich eine Alternative? Da (außer dem Herrn Spohr) niemand mehr von Teilzeit redet, scheint es so zu kommen. Der Verfasser dieses Artikels ist entsetzt ob so einer Denkweise. Eine weitere Schwierigkeit kommt noch hinzu: Da der Luftverkehr noch einige Jahre brauchen wird um hoffentlich wieder auf dem Niveau von 2019 zu sein, die Lufthansa aber erhebliche Gelder an den Staat zurückzahlen muss, kann ich mir sehr gut vorstellen, dass noch weitere (monetäre) Forderungen auf die Belegschaft zukommen werden.
Wer hat das „Patentrezept“ für diese schlimme Situation? Wie der Diskussion über Teilzeit oder „Nichtteilzeit“ zu entnehmen ist, offenbar niemand.
Beschäftigt man sich aber mit der Lektüre des Manteltarifvertrages, hier insbesondere des §5a, so wird man feststellen, dass es durchaus Möglichkeiten gibt.
Nun aber „das Beste“:
Schon im Jahr 2004 im Rahmen der „Konzertierten Aktion“ erkannte man, dass es Kriege, Vulkanausbrüche, Epidemien, Terrorakte oder gesamtwirtschaftliche Einbrüche geben kann, die sehr kurzfristig zum starken bis extrem starken Einbruch der Erträge führen können.
Im Jahr 2010 wurde dann der „Tarifvertrag zur Bewältigung von Krisenfällen“ abgeschlossen. Darin steht in der Präambel der wunderschöne und hoffentlich nicht nur poetische Satz:
„Für den Lufthansa-Konzern hat bei der Bewältigung solcher Krisenszenarien die Sicherung bestehender Arbeitsplätze - insbesondere die Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen -, der Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit und deren nachhaltige Sicherung einen besonders hohen Stellenwert.
Dem ist an „Eindeutigkeit“ nichts hinzuzufügen, nur eben muss man sich in diesem Sinne verhalten.
Im März 2020 wurde dann dieser Tarifvertrag von 2010 mit kleinen Änderungen im Geltungsbereich weiter bestätigt.
Kern dieses, kurz „TV-Krise“, genannten Tarifwerkes, ist die Absenkung der wöchentlichen Grundarbeitszeit für Vollzeitmitarbeiterinnen und Mitarbeiter von 37,5 h auf (in Stufen) 35 h ohne Lohnausgleich.
Das ist zwar eine Lohneinbuße von fast 7% in der Spitze, aber was ist denn die Alternative? Zumal die komplette Aktion auf sechs Monate befristet ist.
Warum also redet niemand von dieser Möglichkeit? Es gibt doch einen existierenden Tarifvertrag, genau für diesen Zweck abgeschlossen, „erfunden“…
Ich will hoffen, dass ich mich mit meiner heutigen Einschätzung irre und doch über diese Möglichkeit geredet wird.
Maxime muss sein: (Fast) alles ist besser als Entlassungen