03.02.2017

Interview mit Jörg Deike

Spitzentechnologie zum Schleuderpreis
Interview mit Jörg Deike

Die VL-Redaktion befragte Jörg Deike, VL-Tarifkommissionsmitglied in der ver.di-GFTK-LHT/IT (Geschäftsfeldtarifkommission) und Betriebsrat der LHT in Hamburg, zum Verhandlungsergebnis über den Fortbestand der Triebwerksüberholung in Deutschland.

VL-Redaktion: Jörg, Du als Betriebsrat und LHT-GFTK-Mitglied hast mit den Mitgliedern der Kommission für fast 2000 Menschen in der Sparte Triebwerk eine Entscheidung getroffen, WT in Deutschland zu halten, allerdings auch mit empfindlichen Begleiterscheinungen. Welche grundlegende Haltungen haben die Kommissionsmitglieder bewogen so zu entscheiden, denn die Ausgangslage und die Forderungen des Arbeitsgebers waren ja schon fast unredlich?!

Jörg Deike: Ja, die Grundhaltung des Arbeitgebers (AG) war in allen Verhandlungsrunden und zu den strittigen Punkten mehr als hart! Unser Standpunkt war, Mehrarbeit und Mehrleistung bei annähernd gleichem Lohn ja, aber nur dann, wenn der AG bereit ist, eine signifikante Nachbesserung bei der neuen Eingruppierung des SF0 / SF1 vorzunehmen und eine attraktive Arbeitsplatzgarantie für 10-12 Jahre anzubieten.

VL-Redaktion: In Ordnung, diese Ziele sind zwar erreicht worden, aber die Kröten, die geschluckt werden mussten, überwiegen aber und die Kolleginnen und Kollegen bei WT, die Menschen bei LHT insgesamt, scheinen eher unglücklich mit der erzielten Kompromisslösung zu sein, da sie auch sehr tief in die individuelle und persönliche Lebensplanung der Menschen eingreifen. Ist bzw. war Euch das bewusst?

Jörg Deike: In der Nacht, in der die Entscheidung getroffen wurde, waren die gegensätzlichen Haltungen derart festgefahren, dass die GFTK vor der Frage stand, die angebotenen Gegenleistungen des AG in Gänze zu verwerfen und die Verhandlungen für gescheitert zu erklären. Erst als der sog. „Last Call“ des AG vorgelegt worden war, kam wieder Bewegung in die festgefahrene Verhandlung, die dann letztlich mit einer Zustimmung der Tarifkommission beendet wurde. In Abwägung zwischen „Kröten“, annehmbaren Zugeständnissen und dem erreichten Kündigungsschutz, haben die WT-ver.di-Mitglieder nun die Möglichkeit, in einer Mitgliederbefragung bis zum 22. August 2016 (nach Redaktionsschluss) ihr Votum zu dem Verhandlungsergebnis abzugeben.

VL-Redaktion: Wie war Deiner Meinung nach die Stimmung bei den Arbeitgebern, nachdem die zustimmende GFTK-Entscheidung übermittelt wurde?

Jörg Deike: Der AG war erst einmal sichtlich erleichtert, ist sich aber anscheinend der Tragweite dieser Entscheidung nicht bewusst, dass damit reihenweise unzufriedene, unmotivierte und leistungsunwillige Mitarbeiter erzeugt werden könnten. Man sollte aber bedenken, dass es in Deutschland kaum Unternehmen gibt, die 10-jährige Arbeitsplatzgarantien vertraglich überhaupt anbieten. Das geht halt nur mit international gut aufgestellten oder sehr etablierten Firmen, so wie Lufthansa Technik!

VL-Redaktion: Könnte das also für den AG ein „fauler“ Kompromiss gewesen sein, denn wir sind der Meinung, dass Ihr in der GFTK vielen Forderungen des AG nachgekommen seid, bzw. Ihr deutliche Zugeständnisse gemacht habt.

Jörg Deike: Wie gesagt, im Abwägungsprozess zum Gesamtbild der Verhandlungen, war der mittelfristige Schutz von 1300 Arbeitsplätzen mit einer 10-Jährigen verbrieften Verlängerung am Ende ausschlaggebend. Es wäre für den Arbeitgeber ein leichtes gewesen, wenn er mit einem neuen Triebwerk, in einem neuen Land, in einer neue Halle, auf einer neuen grünen Wiese, mit neuen Mitarbeitern und mit neuen Schulungskonzepten unbelastet eine Fertigung zu starten, statt das schwierige Bestandsumfeld in Deutschland neu zu ordnen. Das wäre vielleicht auch dem Preisspagat zwischen 150$ und 90$, ja gar 60$, zuträglicher gewesen und hätte das Produkt für das Unternehmen auch attraktiver gemacht, so meine Meinung dazu! Für Deutschland spricht unser Know-how, hohe Zuverlässigkeit und Qualität, sowie Einschätzbarkeit der Arbeit an sich! Nun haben wir die Entscheidung getroffen und haben zu einem hohen Preis für Zukunftssicherheit gesorgt. Wir haben aber auch der Spitzentechnologie zum Schleuderpreis eindeutig Schub verliehen, und dies müssen wir uns gemeinsam in der GFTK nachsagen lassen, ohne Wenn und Aber! Aber auch Kritik müssen wir aushalten können!

VL-Redaktion: Was sagt Dir Dein Bauchgefühl, wenn es um die Befragung der ver.di-Mitglieder geht? Tragen sie Eure Entscheidung mit oder kann es hier noch zu einem signifikanten Umschwung kommen?

Jörg Deike: Wir hatten aus der Mitgliedschaft bereits ein klares Verhandlungsmandat erhalten, befragen die Mitglieder zu unserem Entscheid aber erneut. Mich beschleicht zwar ein Gefühl, dass es auch eine Entscheidung gegen unser Verhandlungsergebnis geben kann, hoffe aber, dass das Ergebnis mitgetragen wird. Gewiss ist allerdings auch, dass die LHT in anderen Bereichen, wie WM, WI und WN mit ähnlichen Forderungen antreten wird.

VL-Redaktion: Jörg, vielen Dank für Deine Einschätzung und viel Erfolg bei den anstehenden Verhandlungen für andere Bereiche!


Interview Schleuderpreis verramschen Autor: VL Redaktion

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