01.12.2020

Was wäre wenn... Insolvenz in Eigenverwaltung

Fragen zur Insolvenz in Eigenverwaltung

Spätestens einige Tage nach der Hauptversammlung der Lufthansa im Frühjahr erreichten uns vielfache Anfragen nach den Auswirkungen einer „Insolvenz in Eigenverwaltung“ auf Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen. Mittlerweile ist es (hoffentlich) gelungen ein derartiges Szenario abzuwenden. Um aber trotzdem über die Folgen einen Überblick zu bekommen – „was wäre, wenn…“ - haben wir in Zusammenarbeit mit einer Anwaltskanzlei hier einige erklärende Worte zusammengefasst:

In den schwierigen Zeiten der Corona - Pandemie geraten Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten und sind gezwungen, Insolvenz anzumelden. Die Insolvenz muss keinesfalls das Ende des Unternehmens bedeuten. Das Verfahren über Einleitung und Durchführung der Insolvenz ist in der Insolvenzordnung geregelt.

Sofern ein Insolvenzverfahren eingeleitet wird, wird von dem zuständigen Insolvenzgericht ein Insolvenzverwalter bestimmt, der ab dann alle Entscheidungen im Unternehmen trifft.

In Ausnahmefällen wird jedoch gemäß § 270 InsO die Durchführung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung des Schuldners, d.h. des Unternehmens selbst erlaubt. Die Voraussetzung dafür ist, dass die Eigenverwaltung von dem Schuldner beantragt wurde und keine Umstände bekannt sind, die erwarten lassen, dass die Anordnung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird.

Was bedeutet das?

Das Unternehmen bleibt weiterhin selbst berechtigt, die Insolvenzmasse zu verwalten und über diese zu verfügen. Das Unternehmen steht jedoch unter Aufsicht eines Sachwalters, der sämtliche Verfügungen des Unternehmens überwacht.

Was bedeutet jedoch die Insolvenz in Eigenverwaltung für den einzelnen Arbeitnehmer?

Grundsätzlich hat die Insolvenz des Arbeitgebers gemäß § 108 InsO keinen Einfluss auf die bestehenden Arbeitsverhältnisse und der Schuldner (Arbeitgeber) behält seine Arbeitgeberstellung inne. Das heißt, dass der Schuldner auch in der Insolvenz neue Arbeitsverhältnisse eingehen kann und diese selbst kündigen darf. Im Falle der Kündigung ist die Kündigungsschutzklage dann gegen den alten Arbeitgeber zu richten und nicht gegen den Sachwalter.

Die Insolvenzordnung beinhaltet eine Reihe von Vorschriften, die vorrangig dem Ausgleich der Interessen der Arbeitnehmer und sonstiger Insolvenzgläubiger dienen. Von besonderer Bedeutung für Arbeitnehmer sind § 113 InsO und § 120 InsO.

Gemäß § 113 InsO kann ein Dienstverhältnis, durch das insolvente Unternehmen, bei dem der Mitarbeiter beschäftigt ist, vom Insolvenzverwalter und vom anderen Teil ohne Rücksicht auf eine vereinbarte Vertragsdauer oder einen vereinbarten Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung gekündigt werden. Die Kündigungsfrist beträgt drei Monate zum Monatsende, wenn nicht eine kürzere Frist maßgeblich ist. Zunächst ist klar zu stellen, dass entgegen des Wortlautes der Norm die Vorschrift nicht nur für Dienstverhältnisse, sondern für sämtliche Arbeitsverhältnisse im Unternehmen gilt.

Die dreimonatige Kündigungsfrist gilt als Spezialregelung für den Insolvenzfall. Tarifvertragliche, gesetzliche oder einzelvertragliche Kündigungsfristen gelten nur dann, wenn sie kürzer als die Dreimonatsfrist sind. Eine längere tarifvertragliche Kündigungsfrist wird gemäß § 113 InsO, durch die nun gesetzliche Kündigungsfrist von 3 Monaten verdrängt.

Entsprechendes gilt auch für einen arbeitsvertraglich vereinbarten oder tariflichen Kündigungsschutz für ältere, langjährig beschäftigte Arbeitnehmer oder für Altersteilzeitarbeitsverhältnis in der Arbeitsphase. (z.B. bei Lufthansa im TV verankert – Unkündbarkeit nach 15 Jahren Konzernzugehörigkeit)

Die gesetzliche Regelung des § 113 InsO verdrängt ferner auch die Regelung der Betriebsvereinbarung, nach der eine bestimmte Gruppe der Arbeitnehmer unkündbar sein soll (z.B. PD-Eng oder Line Maint.).

Die Kündigungsfrist von 3 Monaten gilt auch für befristete Arbeitsverhältnisse, für die es weder vertraglich noch tariflich vereinbarte Kündigungsfristen gibt und das Arbeitsverhältnis noch länger als 3 Monate den Bestand haben soll.

Ferner können gemäß § 120 InsO die Betriebsvereinbarungen gekündigt werden, die Leistungen vorsehen, welche die Insolvenzmasse belasten. Nach dieser Vorschrift soll zunächst zwischen dem Arbeitgeber und Betriebsrat über eine einvernehmliche Herabsetzung der Leistungen beraten werden. Andernfalls können die Betriebsvereinbarungen mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden, auch wenn eine längere Frist vereinbart ist. Darüber hinaus sind auch die Betriebsvereinbarungen mit einer Frist von 3 Monaten kündbar, deren Kündigung ausgeschlossen ist. Fraglich ist, welche Folgen die Kündigung der Betriebsvereinbarung hat.

Es muss zwischen freiwilligen Betriebsvereinbarungen und mitbestimmungspflichtigen Betriebsvereinbarungen differenziert werden.

Freiwillig bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Betriebsrat eine Einigung über die zu regelnde Angelegenheit nicht erzwingen kann. Die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat wird grundsätzlich nicht durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt. Der Betriebsrat hat – anders als im Fall des § 87 Abs. 1 BetrVG – auch kein durchsetzbares Initiativrecht.

Bei freiwilligen Betriebsvereinbarungen endet deren Wirkung mit Ablauf der Kündigungsfrist.

Die mitbestimmungspflichtigen, d.h. erzwingbaren Betriebsvereinbarungen haben die Nachwirkung gemäß § 77 Abs.6 BetrVG. Das heißt, dass die Betriebsvereinbarung auch nach der Kündigung fort gilt, bis sie durch eine neue Regelung ersetzt wird. Dies ist durch den Betriebsrat zu überwachen.

Fazit:

  • Das insolvente Unternehmen – der Arbeitgeber – ist bei Insolvenz in Eigenverantwortung befugt, Kündigungen auszusprechen.
  • Bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens behalten die bisherigen, durch einen Tarifvertrag geregelten, Kündigungsfristen ihre Gültigkeit. Nach Inkrafttreten ergibt sich eine Kündigungsfrist von maximal 3 Monaten.
  • Die Kündigung bedarf erheblicher Gründe, da die Insolvenz in sich keinen Kündigungsgrund darstellt.
  • Ein besonderer Kündigungsschutz, z.B. während einer Schwangerschaft oder der Elternzeit, bleibt auch in der Insolvenz weiter bestehen. Ausnahmen bilden hier „nur“ das Vorliegen von erheblichen Gründen, welche eine Kündigung rechtfertigen. Das Recht zu fristloser Kündigung (Diebstahlt, Betrug etc.) bleibt unberührt.
  • Die Stellung und die Rechte eines Betriebsrates bleiben auch während der Insolvenz erhalten. Der BR hat während der Insolvenz ein erweitertes Mitwirkungsrecht bei Kündigungen, gemäß BetrVG.

In schweren Zeiten ist das Unternehmen auch auf Zugeständnisse und Mitwirkung seiner Mitarbeiter angewiesen. Jedem muss klar sein, dass wir durch diese Zugeständnisse nicht nur unseren Beitrag zum Überleben des Unternehmens leisten, sondern auch zur Erhaltung unserer Arbeitsplätze. Nur so können wir diese Krise gemeinsam meistern!

Ich hoffe, wir konnten Euch hier einen kleinen Einblick in entstehende Gefahren einer Insolvenz (in Eigenverwaltung) geben und die doch schwierigen Gesetzestexte verständlicher machen. Nur gemeinsam können wir helfen unser Unternehmen und damit unsere Arbeitsplätze, größtenteils zu erhalten.

Klaus Courtial

Ortverbandsleiter der Vereinigung Luftfahrt

Düsseldorf

Dieser Artikel wurde in Zusammenarbeit mit der Anwaltskanzlei

Heimbürger & Partner - Düsseldorf

erstellt und entspricht dem gültigen Recht


Insolvenz_Eigenverwaltung Autor: Klaus Courtial

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