30.04.2024

Sieben Fragen an Finanzvorstand Dr. Willms, LHT

1 Wie haben sich die finanziellen Leistungskennzahlen von Lufthansa Technik im vergangenen Geschäftsjahr entwickelt und wie stehen sie im Vergleich zu den Zielen des Unternehmens?


Dr. Willms © Lufthansa Bilddatenbank

Das vergangene Jahr ist, gemessen an den Zahlen, sehr erfreulich verlaufen: Unseren Umsatz konnten wir um rund eine Milliarde Euro auf gut 6,5 Milliarden Euro steigern, was einem Plus von 18 Prozent entspricht – damit sind wir wieder auf dem Niveau des Rekordjahres 2019. Auch unser operatives Ergebnis ist mit 628 Millionen Euro auf ein neues Rekordhoch gestiegen. Wir sind zurück mit alter Größe und neuer Stärke!

Das alles verdanken wir natürlich nicht nur unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sondern vor allem auch unseren Kunden, die uns ihre Flugzeuge anvertrauen. Für viele Airlines auf der Welt sind wir der Wunschpartner, wovon die rund 1.000 neuen Verträge mit einem Volumen von über 8 Milliarden € zeugen.
All unsere Kunden setzen auf das, was sie an Lufthansa Technik schätzen: Gute Qualität bei marktfähigen Preisen und hoher Zuverlässigkeit. Dieses Versprechen müssen wir auch in Zukunft halten!
2 Welche Investitionen hat das Unternehmen im letzten Jahr getätigt, um die langfristige Wettbewerbsfähigkeit und Innovation voranzutreiben?
Für die Zukunft der Lufthansa Technik haben wir einen sehr umfangreichen Investitionsplan, der Anlagen, Materialien, Werkzeuge und Ausrüstung umfasst. Schon im vergangenen Jahr haben wir die Investitionen um fast 40 Prozent auf 137 Millionen € erhöht. Richtig massiv wird es in den kommenden Jahren: Bis Ende 2027 haben wir Investitionen von deutlich über 1 Milliarde Euro unter anderem für Leap-Kapazitäten und Mobile Engine Services, den Kauf von Reservetriebwerken, Kapazitätsaufbau für unser Komponenten-Geschäft wie auch einen neuen europäischen Standort eingeplant.
Aber: All das werden wir selbst verdienen und aus unserem Cash Flow bezahlen müssen. Das wird nicht leicht. Die Kosten für den Arbeitskampf und die daraus resultierende Belastung unserer liquiden Mittel durch unterbrochene Lieferketten und dadurch notwendig werdende zusätzliche Materialaufwendungen in fast dreistelliger Millionenhöhe, machen es nicht einfacher. Bei aller Berechtigung und Verständnis für Lohnsteigerungen und die dazu notwendige Diskussion, sollten Arbeitskampfmaßnahmen mit Augenmaß angewandt werden. Hinzu kommt, und das sollte allen klar sein, zu hohe Lohnsteigerungen verschlechtern unsere globale Wettbewerbsfähigkeit, und wir werden künftig eher im Ausland investieren müssen, um weiter wachsen zu können. Ein Umstand, der in vielen Unternehmen in Deutschland gerade diskutiert wird und dem wir uns letztlich gesamtgesellschaftlich stellen müssen. Ein übriges ist wie wir das Miteinander zukünftig gestalten wollen.
3 Wie beeinflussen aktuelle Branchentrends die Strategie und Ausrichtung der Lufthansa Technik?
Wir wollen die weltweite Nummer 1 in der MRO sein, ein wichtiger Akteur in allen drei Weltregionen und unsere globale Reichweite ausbauen. Unsere Branche wird immer stärker von den großen Herstellern dominiert, gleichzeitig wächst der Druck durch immer größere Airline-Gruppen, die uns mit ihrer Größe und Marktmacht wirtschaftlich unter Druck setzen. Wenn wir im Markt langfristig weiterhin eine bedeutende Rolle spielen wollen, brauchen wir Größe, um relevant zu bleiben.
Innerhalb der nächsten Jahre wollen und müssen wir unseren Umsatz auf deutlich über 10 Milliarden € steigern, und das bei hoher Profitabilität von etwa zehn Prozent. Nur so können wir das ehrgeizige Wachstum finanzieren, das wir dringend brauchen, wenn Lufthansa Technik noch über viele Jahre eine gute Zukunft haben soll. Wo dieses Wachstum dann langfristig stattfindet, werden die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Produkte und jeweiligen Standorte entscheiden.
4 Sind wir denn technologisch ausreichend vorbereitet auf diese Pläne?
Einer unserer großen Vorteile gegenüber unseren Wettbewerbern ist, dass wir, wie kaum ein anderes Unternehmen, schon sehr früh in neue Technologien investiert haben. Drei Beispiele, die für die Zukunftsausrichtung des Unternehmens stehen:
Das erste Beispiel kommt aus dem Bereich der Antriebstechnologien: Die Einführung der neuen Triebwerksgeneration, der Triebwerksmuster GTF und Leap, verändert das Marktgefüge massiv. Wir haben es als einer der ganz wenigen Anbieter auf der Welt geschafft, für beide Muster als Partner in das Herstellernetzwerk aufgenommen zu werden. Bis Ende des kommenden Jahrzehnts werden zehntausende dieser Antriebe in den Markt kommen, und wir sind wie nur sehr wenige mit Lizenzen und Partnerschaften darauf vorbereitet.
Ein anderes Beispiel aus der Digitalisierung: Mit dem AVIATAR, der Software AMOS und unserer Tochtergesellschaft Flydocs haben wir begonnen, das Digital TechOps Ecosystem zu bauen. Was als Start-Up-Idee begonnen hat, hat jetzt auch unternehmerischen Erfolg: Wir konnten das dritte Jahr in Folge massiv wachsen – und werden in diesem Jahr den Break-Even des Bereichs erreichen – darauf sind wir mächtig stolz. Über 11.000 Flugzeuge sind unter Vertrag für einzelne Bestandteile oder das Komplettsystem – und es werden immer mehr. Digitalisierung von Prozessen und Produkten ist das neue „Normal“ – hier ist es wichtig „Leader“ und nicht „Follower“ zu sein.
Und drittens unser Joint Venture AerQ, mit dem wir ein komplettes Kabinen-Entertainment-System nebst digitaler Kundenschnittstelle anbieten und welches wir in einem ersten Flugzeug der Discover Airlines gegenwärtig installieren. Mit AerQ steigen wir in ein ganz neues Geschäftsfeld ein. Das alles zeigt, welchen technologisch Vorsprung wir uns erkämpft haben, den wir nicht verspielen dürfen.
5 In welchen Bereichen sehen Sie mehr Umsatz und Beschäftigung in Deutschland?
Es geht nicht allein um Deutschland, wir sind kein deutsches oder Hamburger Unternehmen mit internationalen Aktivitäten, sondern ein international vernetztes Unternehmen, das nur als Ganzes erfolgreich ist.
Größte Wachstumstreiber der Zukunft sind das Geschäft mit Triebwerken und Flugzeugkomponenten. Im Bereich der Flugzeugkomponenten werden wir uns stärker als bisher in den USA engagieren. Außerdem wollen wir für unser Komponenten- sowie Engine-Geschäft, ein weiteres europäisches Werk aufbauen.
Klar ist natürlich, dass auch die anderen Segmente und Geschäftsfelder wichtig sind und zum Wachstum beitragen. Dazu gehören die Digitalisierung des Kerngeschäftes, die Erweiterung des Angebots digitaler Produkte rund um den AVIATAR, unser globales Base Maintenance Geschäft oder die Zusammenarbeit mit der Bundeswehr, um nur einige zu nennen.
6 Womit rechnen Sie bei Personalentwicklung (Einstellungen und Lohnkostenentwicklung)?
Wir haben ziemlich ehrgeizige Pläne – und für die Umsetzung brauchen wir gute Leute. Ich bin sehr froh, dass wir immer mehr Menschen auf der ganzen Welt für unser Unternehmen begeistern können, gerade auch in Deutschland und Hamburg.
Ende 2023 haben wir bei Lufthansa Technik 22.870 Menschen beschäftigt, das sind 12 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, also etwa 2.500 neue Kolleginnen und Kollegen. Allein in Hamburg hatten wir einen Aufbau von 900 auf fast 10.000 Mitarbeitende. In diesem Jahr geht es weiter: Wir wollen noch einmal rund 2.000 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für unser Unternehmen gewinnen, wieder rund 900 allein in Hamburg.
Das ist nicht ganz einfach, aber wir tun mit diversen Programmen wie dem Seiteneinsteigerprogramm, dem Senior Expert-Programm für Ruheständler, Projekt „Women@LufthansaTechnik“ und natürlich mit der betrieblichen Ausbildung das Mögliche.
Wir müssen allerdings auch fragen, wie lange das noch so gehen kann. Der Standort Deutschland fällt in der globalen Wettbewerbsfähigkeit immer weiter zurück. Bei den Lohnstückkosten sind die USA etwa 27 Prozent günstiger, Schweden über 30 Prozent, unsere Nachbarn Dänemark und die Niederlande um die 20 Prozent.
Da fragen wir uns dann bald nicht mehr, wie wir Leute bekommen, sondern wie wir sie bezahlen sollen.
7 Welche finanziellen Ziele und Prognosen hat Lufthansa Technik für das kommende Geschäftsjahr und darüber hinaus, und welche Strategien werden verfolgt, um diese Ziele zu erreichen?
In diesem Jahr wird unser Wachstumsprogramm „Ambition 2030“ ordentlich Schwung aufnehmen, die Umsetzung beginnt! Das bedeutet, dass wir unseren Umsatz noch einmal deutlich steigern werden, wobei wir uns im Ergebnis zwar positiv entwickeln werden, aber nicht so stark wie in der Vergangenheit. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass uns die Tarifauseinandersetzung in diesem Jahr schon viel Geld gekostet hat, das uns natürlich jetzt fehlt.


7_fragen_willms Autor: VL-Vorstand

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